Kanon 01
Installation, 2011.
Stahl, Magnete. Maße variabel.
Steel, magnets, variable dimensions.
Ausstellungsansichten / exhibition views
Kunsthalle Wilhelmshaven 2011
Auszug aus dem Katalogtext „Christian Keinstar – The Left Hand Path“, Kunsthalle Wilhelmshaven von
Dr. Stephan Berg (Intendant Kunstmuseum Bonn)
Eine fast zauberhaft anmutende Transzendierung des Physischen gelingt Keinstar mit „Kanon 01“, einer Arbeit, die zudem noch einmal auf die prozessuale, performative Dimension des Gesamtwerkes aufmerksam macht. Scheinbar lehnt hier eine Reihe von unterschiedlich großen und unterschiedlich dicken, rechteckigen Stahlplatten und Stahlblechen – sich dabei teilweise überlappend – einfach lapidar an der Wand. Ein modulares Ensemble von Elementarformen, die bei jeder Inszenierung jeweils neu arrangiert werden können. So weit, so vertraut. Was die Arbeit zu einem Ereignis macht, ist Keinstars ebenso einfache wie zwingende Idee, durch Hochleistungs-Magneten, die auf der Wand und auf den einzelnen Platten sichtbar angebracht sind, fast das gesamte Ensemble in einen magisch wirkenden Schwebezustand zu versetzen. Dabei sorgt die Abstoßung zwischen den Magneten dafür, dass die meisten Platten, nur auf ihrer Schnittkante balancierend, frei stehen. Zugleich ist jeder einzelne dieser in einen scheinbar unerklärlichen Levitationszustand versetzten Stahlplatten und -bleche in seiner schwerelosen Leichtigkeit abhängig von dem magnetbewehrten Kontext der übrigen Platten. Die Abstoßung zwischen ihnen ist die Bedingung dafür, dass die zum Teil enorm schweren Platten ihre eigentliche Körperlichkeit zu verlieren scheinen und aus dem Schweren, Lastenden das Leichte, Schwebende wird.
Immerhin einmal führt der durch unsichtbare Magnetströme energetisch befeuerte Kampf der Körper gegen die Bedingtheit des Physischen nicht zu Schmerz, Qual, Deformierung und Fragmentierung, sondern zu einem Moment der Aufhebung des Physischen. Ein prekärer Moment der Balance und zugleich ein stimmiges Schlussbild einer Ausstellung, deren dunkler, physischer Existenzialismus gerade, weil er alles andere als ästhetische Schonkost darstellt, noch lange nachhallt.
Dr. Stephan Berg
© 2011 photos by Ch. Keinstar, Ch. Geissel