Secondary Virgin
Video-Performance, 2013.
11 Min., Farbe / Ton. HD-Video.
Ein „Purity Ball“, ein Reinheits- oder Keuschheitsball, ist eine in Amerika sehr verbreitete religiöse Veranstaltung (ca. 4000 Bälle pro Jahr). Diese Bälle werden meist von der „True-Love- Waits“-Bewegung und der christlichen Rechten organisiert und haben eine Reihe von Regeln und Verboten, die besonders Teenagern ein aufgeklärtes Leben verwehren und eine weitere Emanzipation untergraben. Die Purity-Bewegung hat inzwischen auch Europa erreicht, besonders die Schweiz.
Auf diesen Festen schwören junge herausgeputzte Töchter im Alter von neun bis achtzehn Jahren ihren ebenfalls festlich gekleideten Vätern, keinen Sex vor der Ehe zu haben. Im Gegenzug geloben die Väter ewige Treue gegenüber ihren Ehefrauen und mehr Verantwortung für die Erziehung der Töchter. Der Höhepunkt des befremdlichen Abends ist eine Keuschheitsgürtel-Zeremonie, wo der Vater den Schlüssel „zu dem Herz“ seiner meist aufreizend gekleideten Tochter (Nagellack und hochhackige Pumps) empfängt. Beide geben weinend vor Gott ihr Versprechen, um anschließend auf dem Parkett wie ein Hochzeitspaar gekleidet zu tanzen.
Es gibt aber auch Mädchen die scheitern. Den Verheißungen des modernes Lebens zum Opfer gefallen, müssen sie jedoch keine soziale Ausgrenzung fürchten (sicher aber den Spott der Anderen), da sie ebenso auf einem Reinheitsball tanzen dürfen: In einer „secondary virginity“ – Zeremonie bekommen sie eine zweite Chance ihre Enthaltsamkeit erneut vor Gott, dem Vater und der Gemeinde zu beweisen. Mit dieser „Revirginisierung“ bestimmt der Glaube wieder das Sexualverhalten der Teenager, die sozusagen per Dekret über Nacht wieder Jungfrauen sind.
Das Prinzip des Lebens nach einem Reinheitsgebot ist in unserer Kultur weit verbreitet und erzeugt sowohl eine starke Beziehung wie Kontrolle. Ein Versprechen wird so zu einem Dogma aus dem schnell ganze Staatssysteme und Religionen wachsen.
Die Videoperformance „Secondary Virgin“ von Christian Keinstar thematisiert den Begriff der Reinheit, sowohl in der Konzeption wie auch in der Form: In einem hellen Raum agiert der Künstler langsam und andächtig mit einer nackten Frau ohne sie zu berühren. Ihr Körper ist mit metallischen Bändern erweitert, an denen starke Magnete haften. In einer stilvollen Choreografie stellt Keinstar schwere Stahlplatten an seine Partnerin, die ebenso mit Magneten versehen sind, jedoch negativ polarisiert. Die enorme Abstoßung zwischen den Magneten sorgt dafür, dass die Platten nur auf ihrer Schnittkante balancierend frei stehen, ohne auf die Frau zuzufallen. Nach und nach verstellt der Künstler die Frau mit Stahlplatten, die sie in einem unerklärlichen Levitationszustand massiv bedrohen aber gleichzeitig auch ihre Nacktheit schützen. So verlieren alle Materialien ihre eigentliche Körperlichkeit und treten über in einen transzendentalen Schwebezustand.
Christian Keinstar