ZwanzigZehn

Installation, 2010.

6t Stahlbeton, 20KW Hochleistungs-Rohrheizkörper.

4 Skulpturen (L x B x H, G):
Turm 140 x 140 x 480 cm, 3,3t
Block 160 x 160 x 250 cm, 2,2t
Kubus 100 x 100 x 130 cm, 0,3t
Platte 250 x 100 x 55 cm, 0,2t

Ausstellungsansicht / exhibition view
“Der Westen leuchtet“
Kunstmuseum Bonn, 2010.

Auszug aus dem Katalogtext „Christian Keinstar – The Left Hand Path“, Kunsthalle Wilhelmshaven von
Dr. Stephan Berg (Intendant Kunstmuseum Bonn)

Die groß angelegte Installation ZwanzigZehn die Keinstar für das Ausstellungsprojekt Der Westen leuchtet im Kunstmuseum Bonn entwickelte, bringt den paradoxen Zusammenhang aus Konstruktion
und Destruktion sowie aus Schönheit und Gefahr, der das gesamte Werk grundiert, präzise auf
den Punkt. Aus Stahlbeton-Bauschutt von Abrisshäusern entstehen rohe, unförmige skulpturale ‚Bastarde‘ und vom Kippen bedrohte turmartige Gebilde, die durch stachlig aus ihnen herausragende, rostige und verbogene Armierungseisen sowie glühende Rohrheizkörper mit einer aggressiven und zugleich unnahbar-schönen Ausstrahlung aufgeladen werden. Ein skulpturales Ready-Made-Programm im Modus der ‚Einstürzenden Neubauten‘. Die Schutt-Teile werden exakt so, wie sie gefunden wurden, verwendet, und allein durch ihre Zusammenstellung in eine Form gebracht, die stets ihren eigenen prekären Status zwischen Zusammenbruch und Aufbau kommentiert. Die Arbeit ist auf einer ersten Ebene eine Auseinandersetzung mit der reinen, aseptischen White-Cube-Ästhetik des Museumsraumes, den Keinstar durch seine Abriss-Ästhetik einerseits konterkariert, und andererseits spiegelt, indem er Stahlbeton, und damit genau das Material verwendet, aus dem der Museumsbau selbst besteht.

In diesem Sinne braucht ZwanzigZehn einerseits die coole Idealität des Museumsraumes, um überhaupt wirken zu können, und formuliert als paradoxer Epitaph gewissermaßen auch schon sein mögliches zukünftiges Verschwinden. Darüber hinaus laden die orange-glühenden Rohrheizkörper, die wie Lanzen aus den Schutt-Teilen ragen, nicht nur die Skulpturen, sondern ihre gesamte Umgebung mit einer Wärme auf, die über die Physis der Arbeiten hinaus weist. Der Wärmeraum umgibt die fragmentierte Körperlichkeit der Skulpturen wie ein unsichtbares, aber wirksames Ektoplasma und kündet zugleich von einer grandios ‚nutzlosen‘, künstlerisch aber hochproduktiven Energieverschwendung. Mit 20 Kilowatt erhitzt Keinstar seine Skulpturen bis zu dem Punkt, an dem klar wird, dass sein Kunstwerk kein selbstgenügsames Leben als meditatives Anschauungsobjekt fristen will, sondern in seinem prekären Balanceakt aus Gefährdung und Gefahr selbst unmittelbar physisch auf seine Umgebung einwirkt. Und die ‚Reibehitze‘, die er dabei zwischen Werk und Betrachter herstellt, dient zugleich ganz direkt
der Selbsterleuchtung seiner Skulpturen, die im Dämmerlicht des Raumes so schön und wütend glühen, als wollten sie die ganze Welt in Brand setzen.

Dr. Stephan Berg

© 2010 photos by Ch. Keinstar, Ch. Geissel